Das Weltenego

„Nur nicht weiter so“, heißt der Titel des Buches von Jürgen Leinemann. Er fällt mir in Tagen wie diesen ins Auge. Lange ist es her, meine Zeit bei dem Nachrichtenmagazin. Wäre ich heute noch dort, würde ich den Titel der nächsten Ausgabe vorschlagen: „Das Weltenego“.
Als humanistische Therapeutin gehe ich davon aus, dass der Mensch zur Ganzheit strebt und an den Dingen, die ihm begegnen, wachsen kann. Jetzt spüre ich, das Weltenego ist erschüttert in den tiefsten Tiefen seines Seins. Nichts bleibt, wie es war. Der Mensch wird zurückgeworfen auf ein Minimum seines Daseins, ohne Fußball, ohne Events, ohne Shoppen. „Es ist wie im Krieg“, sagt die Nachbarin. Ja, das mutet an.
Erst der Sturm, dann Corona. Das Große Ganze will etwas von uns, von uns als globale Gesellschaft. Innehalten, Wichtiges vom Unwichtigen trennen. Was wollen wir wirklich, im Miteinander, im großen Ganzen? „Nur nicht weiter so“, wir werden an diesen Themen wachsen oder gemeinsam untergehen, die beiden Möglichkeiten sehe ich jetzt für die globale Welt.
Materielles Wachstum, Börse als Hauptziel für das Menschsein geraten mehr ins Strudeln denn die Bankenkrise, mehr als jeder Syrienkrieg, der uns über die Medien ins Wohnzimmer geschickt wird. Schön weit weg, nur auf dem Bildschirm. Virtuelle Welt, künstliche Intelligenz, Spielen, Spielen.
Heute scheint die Sonne, die kleinen Insekten tanzen darin. Sich draußen begegnen, mit ein wenig Abstand, davon spricht der Virologe. Draußen bleiben die Viren nicht so lange in der Luft hängen, fallen schneller auf die Erde. Vielleicht gehe ich heute länger spazieren und spüre den Frühlingsduft der Erde.
Wir werden auch diese Krise meistern, wie so vieles. Nichts bleibt wie es ist, der Wandel, das wissen wir alle, ist die stärkste Kraft der Welt, auch der globalen. Meine Generation hatte es gut, hier in Europa zu leben, kein Krieg, wenig Bomben, wenig Glaubenskrisen. Ich bin besser als Du, ich weiß die Wahrheit, in Tagen wie diesen zählt das nicht. Daran können wir wachsen. Wieder miteinander sprechen lernen, füreinander da sein. Es geht nicht darum, Altes ist besser. Nicht darum, wieder Mauern zu bauen. Doch vielleicht ist Weniger Mehr. Weniger Gier, mehr Freude.
Die Parteienwelt wandelt sich, vielleicht ist eine Gesellschaftskommission, eine große Runde mit Menschen aller Richtungen und Schichtungen die Wahl.
Europa trägt die Schuld, schreit der mächtige Mensch. Nein, die Amerikaner, kreischt der Diktator. Schuld oder Chance? „Nur nicht weiter so“, schreibt Jürgen Leinemann.

Kabira I. Hesse, 15.03.2020 zur Coronakrise (c)

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