blog

Wintergeruch

Tragender Moment

Plötzlich finden mich die Worte. Ich spüre das sanfte Verbinden des sehnsuchtsvollen Atems. Er zeigt mir den Weg, das Wie der Verbundenheit. Ein durch die Poren webender Hauch, kaum wahrnehmbar, kraftvoller als jeder gewollte Atemzug. Will ich Dich festhalten, wirst Du flüchtig. Ein bewusster, mich durch den Tag tragender Moment.

Kabira Hesse, 05.2020 (c)

Atemwellen

Während der Weltenatem neue Wellen schlägt,
schlängelt sich mein tiefster innerer Atem
hierhin und dorthin.
Neue Wege wagt er,
webt neue lichte Atemgewänder.
Ein Lächeln erwirkt er und Erkenntnisse.
Leicht und nichts Muss, hier und jetzt.

Kabira Hesse ©

Atemumarmung

Ich umarme meinen Einatem,
der mich füllt und verlebendigt.
Ich umarme meinen Ausatem,
der mir kreatives Sein schenkt.
Ich umarme meine Atemruhe,
die in ihrer Tiefe den Wandel birgt.

Kabira I. Hesse, 01.04.2020 ©

Das Weltenego 

„Nur nicht weiter so“, heißt der Titel des Buches von Jürgen Leinemann. Er fällt mir in Tagen wie diesen ins Auge. Lange ist es her, meine Zeit bei dem Nachrichtenmagazin. Wäre ich heute noch dort, würde ich den Titel der nächsten Ausgabe vorschlagen: „Das Weltenego“.
Als humanistische Therapeutin gehe ich davon aus, dass der Mensch zur Ganzheit strebt und an den Dingen, die ihm begegnen, wachsen kann. Jetzt spüre ich, das Weltenego ist erschüttert in den tiefsten Tiefen seines Seins. Nichts bleibt, wie es war. Der Mensch wird zurückgeworfen auf ein Minimum seines Daseins, ohne Fußball, ohne Events, ohne Shoppen. „Es ist wie im Krieg“, sagt die Nachbarin. Ja, das mutet an.
Erst der Sturm, dann Corona. Das Große Ganze will etwas von uns, von uns als globale Gesellschaft. Innehalten, Wichtiges vom Unwichtigen trennen. Was wollen wir wirklich, im Miteinander, im großen Ganzen? „Nur nicht weiter so“, wir werden an diesen Themen wachsen oder gemeinsam untergehen, die beiden Möglichkeiten sehe ich jetzt für die globale Welt.
Materielles Wachstum, Börse als Hauptziel für das Menschsein geraten mehr ins Strudeln denn die Bankenkrise, mehr als jeder Syrienkrieg, der uns über die Medien ins Wohnzimmer geschickt wird. Schön weit weg, nur auf dem Bildschirm. Virtuelle Welt, künstliche Intelligenz, Spielen, Spielen.
Heute scheint die Sonne, die kleinen Insekten tanzen darin. Sich draußen begegnen, mit ein wenig Abstand, davon spricht der Virologe. Draußen bleiben die Viren nicht so lange in der Luft hängen, fallen schneller auf die Erde. Vielleicht gehe ich heute länger spazieren und spüre den Frühlingsduft der Erde.
Wir werden auch diese Krise meistern, wie so vieles. Nichts bleibt wie es ist, der Wandel, das wissen wir alle, ist die stärkste Kraft der Welt, auch der globalen. Meine Generation hatte es gut, hier in Europa zu leben, kein Krieg, wenig Bomben, wenig Glaubenskrisen. Ich bin besser als Du, ich weiß die Wahrheit, in Tagen wie diesen zählt das nicht. Daran können wir wachsen. Wieder miteinander sprechen lernen, füreinander da sein. Es geht nicht darum, Altes ist besser. Nicht darum, wieder Mauern zu bauen. Doch vielleicht ist Weniger Mehr. Weniger Gier, mehr Freude.
Die Parteienwelt wandelt sich, vielleicht ist eine Gesellschaftskommission, eine große Runde mit Menschen aller Richtungen und Schichtungen die Wahl.
Europa trägt die Schuld, schreit der mächtige Mensch. Nein, die Amerikaner, kreischt der Diktator. Schuld oder Chance? „Nur nicht weiter so“, schreibt Jürgen Leinemann.

Kabira I. Hesse, 15.03.2020 zur Coronakrise (Copyright“!)

Der Weltenatem

Er pustet um die Häuser, macht weiter auf sich aufmerksam, wird auch lauter. Der Weltenatem ist in Aufruhr, „Versteht Ihr nicht!“, ruft er. Atemlos geht es nicht weiter, 1000 Emails am Tag, Börsennachrichten, Bomben, mehr Häuser, mehr, mehr. Er beruhigt sich ein wenig, der Weltenatem, noch ist er misstrauisch, die lange Leine noch eingerollt. Die Worte von Herrn Mälzer hört er, „Wenn das so weiter geht, bin ich bald bankrott“. „Wo sind all‘ die Millionen, die Du verdient hast“, fragt sich der Weltenatem, „so schnell dahin?“ „Warum bestrafen Sie uns mit Kontaktverbot?“, fragt Anne Will, auch das hört er und schaltet den Fernseher ab, traurig, weil sie es nicht verstehen. Er zieht sich wieder zurück, hinter den Busch und wartet und manches Mal pustet er um die Häuser und hofft, vielleicht hört jemand und versteht. Er weiß um die Aufgabe der Journalisten, sie wollen wachrütteln, provozieren, er weiß, das darf auch in Zeiten wie diesen nicht in den Hintergrund rücken. Jetzt geht es darum nicht. Die Särge, noch nicht genug. Niemand, der die Hand hält im Übergang. Kein Abschiedsritual. Sie stehen dort, aufgereiht, Bilder, die erinnern an andere Zeiten. „Noch nicht genug“, fragt er sich. Was noch? Er pustet um die Häuser, der Weltenatem, er, der verbindet, er, der bleibt.

(Kabira I. Hesse, Copyright, 23.03.2020,)

Erfahrungsbericht zur 2jährigen Ausbildung „Living the Gestalt“

Zwei Ausbilungsseminare hatte ich bereits verpasst, als ich mich mit 54 Jahren dazu entschied, mich, trotz all’ meiner bereits vorhandenen Erfahrung als Atemtherapeutin und diverser Gaps und Assistenz bei Rajan und Deva Prem, für die zweijährige Ausbildung „Living the Gestalt“ anzumelden.

Die Primärtherapie hatte ich durchlebt, so konnte es, wenn auch mit einigen Widerständen was Protokoll und Referat anbelangte, im Dezember 2015 beginnen.

Die ersten zwei Wochenenden waren ein vorsichtiges Kennenlernen der 24-köpfigen Gruppe und der vier Assistenten, ein Kennenlernen der Gesprächstherapie von Carl Rogers, in meinem Empfinden die Grundlage jeglicher therapeutischen Arbeit.

Ein Schnuppern in die Arbeit von Fritz Perls, die ersten Demositzungen in der Runde von Deva Prem und Rajan, die mich immer wieder beeindruckten, wie empathisch, wie präsent, wie auf den Punkt bringend, wie auch schwierigste Momente liebevoll begleitend sie arbeiteten. Diese Demositzungen ließen die Arbeit von Fritz Perls lebendig werden und durch sie lernte ich immens viel.

Wir übten zu zweit, wir übten zu dritt. Von Beginn an steht die Übungssituation, neben der Morgenrunde, in der jede/r von sich erzählt, von dem, was sie im Hier und Jetzt gerade bewegt, im Vordergrund. Wenn’s schwierig wurde, begleiteten die Assistenten/innen hilfreich, sie waren immer präsent, wenn wir – in welcher Form auch immer – Hilfe brauchten.

Deva Prem und Rajan und die Assisten/innen hielten den Raum der Gruppe, vermittelten die Arbeit von Fritz Perls fundiert, klar und setzten Grenzen, wenn es in der Gruppe mal zu sehr „brodelte“. Der Gruppenprozess ist Teil der Ausbildung, sicher, allzu sehr in eine Encountergruppe sollte es nicht gehen, der zeitliche Rahmen ist begrenzt. Nicht zuletzt aufgrund der Erfahrung des engen zeitlichen Rahmens gibt es jetzt ein einjähriges Aufbautraining mit einem Encounter-Wochenende.

Die Woche auf Mallorca war ein besonderes Sahnehäppchen, die Gruppe wuchs tiefer zusammen, eine heikle Situation wurde gemeistert, alle kamen wieder, niemand stieg’ aus. Wir konnten nicht nur üben, üben, üben, wir konnten schwimmen gehen und wurden mit dem leckersten Essen bekocht. Mallorca wird nun Parimal, sicher nicht minder intensiv.

Hier und Jetzt und Kontakt. Wie gehe ich empathisch in den Kontakt und bleibe trotzdem bei mir, eine Grundlage der gestalttherapeutischen Arbeit. Kontakt mit mir, Kontakt mit den anderen, immer wieder, sei es im inneren Dialog, sei es im Tanzen, sei es in der Meditation. Meditation, ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung. Spiritualität, ohne sie geht es nicht, Deva Prem und Rajan leben sie, missionieren nie. Vielleicht entschieden sich gerade deshalb einige aus der Gruppe, Sanyas zu nehmen. Die Feiern waren tiefe, freudvolle Erfahrungen, es gibt keine Worte, die Liebe, die Verbundenheit in diesen Feiern zu beschreiben.

Psychodrama und Träume, Mann und Frau und auch die Gestaltgrundlagen, nie wurde es langweilig, wir lachten und weinten, wir lernten unser Anderssein zu tolerieren und spielten auf der Bühne, auf der ein Kartoffelsack und auch Gorillas uns lachende Tränen ins Gesicht trieben.

Die Neurosen wurden gelebt, erkannt und in Referaten deutlich im Unterschied zu Sigmund Freud beschrieben. Ein wichtiges Modul. Die eigenen Manipulationen zu erkennen. Wie genau mache ich es, die Verantwortung zu verschieben, nicht erwachsen und autark mein Leben zu leben? Welche Neurosen schlummern in mir, diese Erkenntnis hilft beim Begleiten der Menschen, die zu uns kommen. Zu sehen, zu fühlen, wie sie versuchen, uns zu manipulieren, sich selbst auch.

Nicht nur die ein, zwei, drei Bücher, die zu lesen ein Muss, Sollte, Kann, Darf sind, auch die Referate und Protokolle, die ließen bei manch’ einer/einem den Schweiß ausbrechen, aber sie unterstützten die gestalttherapeutischen Übungserfahrungen, und sie verdeutlichten mir Fritz Perls, seinen Hintergrund, sein Neurosenmodell und den Einfluss auf die Gestalttherapie. Sie sind für mich ein Geschenk. Fritz Perls wurde Gestalt. Intuition und Wissen konnten sich in mir verbinden.

Zu sehen und zu spüren, wie sehr sich die Gruppenteilnehmer/innen, ich mich und auch die Assistenten, auch Deva Prem und Rajan sich innerhalb der zwei Jahre veränderten, beeindruckte mich und unterstützte meine Überzeugung, dass die Gestalttherapie Fritz Perls’ mein Weg ist. Kleine Übungssequenzen (das Pendeln, Identifikation, Wahrnehmen was sich jetzt zeigt, Arbeit mit dem inneren Kind) zeigten und zeigen oft große Erkenntnisse, sei es in der Ausbildung, sei es in meiner Praxis.

Eine fundierte, lebendige Ausbildung, selten langweilig, manchmal in der langen Morgenrunde; selbst dann lernten wir: „Die Müdigkeit zeigt etwas von dem, was gerade gesprochen wird, das hat mit Dir zu tun.“

Wenn Deva Prem und Rajan in Ihrem Flyer schreiben: „Wir wünschen uns, dass unsere Absolventen belebte, beseelte, beherzte Menschen sind und jeder aus seiner individuellen Geschichte und aus seiner Lebenssituation heraus eine eigene Arbeitsweise findet und dennoch eindeutig als Gestalttherapeut zu erkennen ist.“, dann mag ich nur sagen: „Es gelingt Euch, genau dieses zu vermitteln. Ich werde meinen Weg als Gestalttherapeutin gehen, mit meinem Hintergrund, mit meiner Lebenssituation und mit der Erfahrung und dem Wissen, was ich aus der 2jährigen Ausbildung mitnehmen durfte.“

Wer diesen Weg wählt, wird durch’s Nadelöhr gehen, ein Verstecken gibt es nicht. Einmal dadurch, lebt es sich leichter, lebendiger und intensiver, ein Weg nicht nur mit dem Ziel Gestalttherapeut/in zu werden, ein Weg zu sich selbst.

Köln, 05.04.2016 Kabira I. Hesse (c)